Wie ehrlich sind wir Reiter im Umgang mit unseren Pferden?
Es gibt inzwischen in Deutschland eine große Anzahl von Dienstleistern im Bereich Tiergesundheit und Tierausbildung.
Tierphysiotherapeuten, Tierheilpraktiker, Tierosteopathen oder doch lieber der Knochenbrecher? Hufschmiede, Hufheilpraktiker oder doch lieber Huforthopäden? Tierkommunikation oder Pferde – flüstern oder doch mal das Clickern probieren? Was ist mit Horsemanship und Psycho-flüstern? – oder doch lieber die Pferde klassisch gefügig machen?
Lieber mit dem Gebiss Druck auf den empfindlichen Kiefer oder ohne Gebiss Druck auf den empfindlichen Nasenrücken oder im Roundpen Druck auf die Seele? Das „Knoti“ oder der „Schlaufi“ – vielleicht geht es ja auch darum, wie es sich anhört, wenn man darüber spricht?
Aus der Forschung und Wissenschaft im Humanbereich wissen wir etwas, was wir alle selber täglich spüren und fühlen: Der Mensch ist nur gesund, glücklich, lernbegierig und hat Lust auf Leistung, wenn es ihm gut geht. Und gut geht es ihm, wenn der Körper gesund ist und der Mensch sich wohl fühlt.
Wohl fühlt man sich, wenn man in einem Freundes- oder Familienkreis lebt, in dem sich sich sicher und geborgen fühlt. Wohl fühlt man sich, wenn man gelobt und ermutigt wird. Wohl fühlt man sich, wenn man Erfolgserlebnisse hat. Wohl fühlt man sich, wenn man vor seinen Mitmenschen keine Angst hat, sondern sich von ihnen beschützt fühlt. Wohl fühlt man sich nicht wenn man bedroht wird, sich unterordnen soll und Angst vor Fehlern haben muss, wohl fühlt man sich, wenn man sich unterstützt fühlt.
Und wer seinem eigenen Gefühl nicht traut, kann die Wissenschaft fragen und sich bestätigen lassen: Unser Fühlen beeinflusst über das Hormonsystem die Gesundheit unseres Körpers und unser Denken beeinflusst unser Gefühl. Genauso beeinflusst der Zustand unseres physischen Körpers unser Denken und unser Fühlen.
Denken, fühlen und gesund sein gehören untrennbar zusammen.
So kann jede Therapie nur erfolgreich sein, wenn gleichzeitig das Denken und das Fühlen des Individuums positiv beeinflusst wird. Das gilt für Tier und Mensch gleichermaßen.
Jede Therapie und Ausbildung des Tieres kann nur gesund sein, wenn das Tier sich dabei wohl und geborgen fühlt.
Und um zu beurteilen, ob das Tier sich wohl fühlt, ist es unsere Aufgabe als Therapeuten, Ausbilder und Tierbesitzer die Scheuklappen abzunehmen, die Augen zu öffnen und den ehrlichen Blick darauf zu wagen, ob sich das Tier wirklich wohl fühlt bei dem was wir mit ihm tun.
Ein Pferd kann den Kopf senken, weil es sich entspannt.
Ein Pferd kann den Kopf senken, weil es resigniert.
Ein Pferd kann den Kopf senken weil es weiß, dass es Schmerzen durch Ausrüstungsgegenstände erleidet, wenn es den Kopf hebt.
Ein Pferd kann den Kopf senken, weil es Schmerzen hat.
Bei jeder Methode zur Ausbildung oder Therapie eines Pferdes versuche ich so objektiv wie möglich, mich in das Pferd hinein zu versetzen und denke darüber nach, wie ich es empfinden würde, wenn man das mit mir macht:
Fühlt sich mein Tier jetzt ermutigt oder bedroht? Fühlt sich mein Tier jetzt unterdrückt oder unterstützt? Fühlt sich mein Tier jetzt geborgen oder untergeordnet? Hat mein Tier jetzt Angst etwas falsch zu machen oder hat es Lust das richtige auszuprobieren? Hat mein Tier jetzt eigentlich wirklich die Wahl? Würde ich auch ein „nein“ akzeptieren?
Die Reparatur eines Körpers führt nicht zur Gesundheit.