März 29, 2024

Die Lende als Fixpunkt guten Reitens

Mit dem Hintern sitzt der Reiter auf dem Rücken des Pferdes. Um sich den Pferdebewegungen anzupassen und sie zu steuern, muss der Reiter seine Lendenregion kennen. 

Das Becken ist mittels der Iliosakralgelenke (ISG – gelbe Pfeile) an der Lendenwirbelsäule befestigt. Da die ISG nicht beweglich, sondern bandhafte feste Verbindungen sind, kann das Becken nur mitbewegt werden, wenn  die Lendenwirbelsäule agiert.

Um sich das bewusst zu machen, hilft folgende Übung im Stehen oder auf dem Pferd: Man legt einen Finger auf den Hüfthöcker und kippt das Becken abwechselnd nach vorne und hinten.  Will man dabei im Oberkörper gerade bleiben, muss man die Lendenwirbelsäule bewegen. Bleibt man im Rücken steif, muss man den ganzen Oberkörper nach vorne oder hinten neigen, um das Becken entsprechend zu kippen. Auch die Beckenbewegungen für Gewichtsverlagerungen funktionieren nur über Muskelarbeit in der Lende.

Beim Pferd ist der Körperbau nicht anders.

Auch das Pferd kann sein Becken nur mit der Lendenwirbelsäule bewegen. Das bedeutet: Zur Gewichtsverlagerung in der Versammlung, die letztendlich die Kopf-Hals-Haltung bestimmt, muss das Pferd die Lende bewegen. Zum Untertreten der Hinterhand in der Versammlung muss das Pferd die Lende bewegen. Zur Körperbiegung zwecks Geraderichtung muss das Pferd die Lende bewegen.

Die Bewegung von Lende und Becken findet über verschiedene Muskeln statt. Im Rücken sorgen kleine Muskeln direkt an den Gelenken der Lendenwirbelsäule (LWS)  für die Streckung, im Körper sorgen tiefe Muskeln für die Beugung der LWS und schließlich sind auch die Bauchmuskeln erheblich an der Bewegung der LWS beteiligt.  

Der lange Rückenmuskel und die Bauchmuskeln

Der lange Rückenmuskel (Longissimus dorsi), im Bild orange dargestellt, streckt sich über die gesamte Wirbelsäule. Wird er angespannt, steht der Mensch gerade und steif,  die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und damit des Beckens ist blockiert. 

Auch dieser Umstand ist bei Pferd und Mensch gleich. 

Um das Becken und die Lendenwirbelsäule bewegen zu können, muss der lange Rückenmuskel entspannen. Das ist nur möglich, wenn die kleinen, tiefen Muskeln im Körper kräftig genug sind, um für die nötige Stabilität bei guter Beweglichkeit zu sorgen. 

Außerdem braucht der Reiter kräftige BAUCHMUSKELN, um damit die Beweglichkeit der Beckenregion steuern zu können, eine Tatsache, die in der „normalen“ Reitlehre komplett vergessen wird.

Aspekt aus dem Mentaltraining:

Wenn wir uns unsicher oder bedroht fühlen, spannen wir den langen Rückenmuskel instinktiv in Verteidigungsbereitschaft an. Dann ist gutes Reiten nicht mehr möglich, denn die Lendenregion versteift, was für das Pferd höchst unangenehm ist.

Das gleiche gilt für das Pferd.  Fühlt es sich unsicher oder bedroht, oder verursacht der Reiter durch eine steife Körperhaltung ein unangenehmes bis schmerzhaftes Gefühl in der Sattellage, wird es den langen Rückenmuskel anspannen und damit die Bewegung von Becken und Lende massiv behindern.

Aspekt aus dem Tai Chi – Stabilität statt Steifheit

Die kleinen Bewegungsmuskeln rund um Becken und Lende müssen perfekt zusammen spielen können. Spannen die vorderen Muskeln an, müssen die hinteren entspannen und umgekehrt. Nur dann kann genügend Kraft und Stabilität erzeugt werden, um auch auf dem Pferd das eigene Becken so zu bewegen, dass der Reiter trotz Rückenbewegung des Pferdes Weichheit und Stabilität vereinen kann, ohne dabei steif zu werden.

Die verwendeten Bilder dieses Artikels stammen aus dem Buch Physio-Riding mit Sabine Bruns, Verlag Müller-Rüschlikon.