Dezember 14, 2024

Die weiche Reiterhand

Wenn wir Reiter beobachten, können wir auf den ersten Blick eine sehr rohe ruckartige Einwirkung der Hand von einer ruhigen Hand mit wenig deutlicher Einwirkung unterscheiden.

Nicht richtig ist es, eine ruhige Hand auch automatisch als weiche Reiterhand zu beurteilen.

M. trapezius, M. deltoideus, M. pectoralis, M. levator scapulae, M. splenius, M. teres minor und M. teres major, M. biceps brachii, M. brachialis, M. flexor digitorum, M. extensor digitorum, M. extensor radials, M. extensor carpi radialis, M. flexor carpi radialis, M. brachioradialis, M. anconeus ………

Dieses sind alles Muskeln, die in unserem Arm aktiv sind, wenn wir einen Zügel halten. Dazu kommen noch alle Muskeln in der Hand und den Fingergelenken, die ich hier nicht mit aufgeführt habe.

Alle diese Muskeln müssen miteinander harmonieren, wenn weiche und harmonische Gelenkbewegungen stattfinden.

Wollen wir uns das ganze vereinfacht ansehen: Auf dem Bild zu diesem Beitrag sehen wir an jedem Gelenk große und kleine Muskeln, die für die Stabilität und Bewegung eines Gelenkes zuständig sind.

Wenn ein Gelenk gebeugt wird, muss ein Muskel anspannen (rot eingezeichnet), ein Muskel muss sich dehnen lassen (grün eingezeichnet) und einige weitere Muskeln drum rum (gelb eingezeichnet) halten eine relative Muskelspannung um trotz der Gelenkbewegung auch eine Stabilität zu erzeugen.

Je nachdem wie viel Gewicht wir in der Hand halten, während unsere Gelenke (Schultern, Ellenbogen, Hand) aktiv sind, muss auch stabilisierende Haltearbeit geleistet werden. Das kann sehr viel Gewicht sein, wenn z.B. in einer Trabverstärkung Schwung harmonisch aufgefangen werden soll.

Das Zusammenspiel dieser vielen Muskeln funktioniert relativ reibungslos, wenn alle Muskeln gesund und kräftig sind und wenn der Mensch sich gut fühlt. Sobald der Mensch Angst oder Stress empfindet, oder einzelne Muskeln nicht kräftig genug sind, spannen Muskeln an, die die Gelenkbewegungen stören und die Bewegungen werden härter und fester.

Ein Pferd, dessen Schwung bei einer Trabverstärkung hart und fest „aufgefangen“ wird, empfindet das als sehr unangenehm und wird es vermeiden, Schwung zu entwickeln. Statt im Mitteltrab zu schweben, wird es nur schneller laufen.

Wer in seinem Alltag in einer „sitzenden Welt“ lebt, in der Muskelarbeit nicht mehr wirklich wichtig ist, hat evt. das Problem, dass seine Muskeln nicht mehr alle kräftig genug sind, um ein Gleichmaß der Arbeit herzustellen, und es entsteht eine harte Reiterhand.

In jedem Gelenk des Armes und der Hand kann auf dem Pferd die harte Reiterhand entstehen, wenn die beteiligten Muskeln nicht effektiv zusammen arbeiten.

Harte Gelenkbewegungen entstehen vor allem, wenn Muskeln nicht entspannen, während ein Gelenk bewegt wird. Diese Anspannung ohne Anlass entsteht meistens beim Reitanfänger, der sich auf dem Pferd instinktiv festhalten will oder dem Büromenschen, dessen obere Rücken- und Schultermuskeln zu schwach geworden sind. So kann die wirklich weiche Reiterhand nicht entstehen.

Übung nach den Tai Chi – Prinzipien ohne Pferd:

Stelle Dich aufrecht hin. Hebe einen Arm als ob Du einen Baum umfassen würdest. Nun entspanne alle Muskeln, die nicht benötigt werden, um den Arm in dieser Haltung zu belassen:

Fühle in Deinen Hals: Die Schultern sollen entspannt hängen. Fühle in Deine Schulter: die Muskeln vorne und hinten am Schulterblatt sollten entspannen. Fühle in Deinen Oberarm: Alle Muskeln rund um Deinen Oberarmknochen sollen entspannt sein. Fühle in Deinen Unterarm: Alle Muskeln rund um Elle und Speiche sollen entspannt sein. Fühle in Deine Hände: Alle Muskeln sollen entspannt sein.

Nun bewege Deinen Arm langsam und allmählich zur Seite, nach oben und nach unten ohne die runde „Baum Umarmen – Haltung“ aufzugeben und ohne Muskeln anzuspannen.

Wiederhole die Übung mit dem anderen Arm.

Wiederhole die Übung auf dem Pferd erst ohne Zügel, dann mit Zügel in der Hand, aber ohne eine Anlehnung herzustellen.

Kontrolliere bewusst die Muskelarbeit deines Armes, während Du die Bewegungen mit den Händen machst, die Du üblicherweise während Deiner Reitstunde machst.

Nach diesen Wahrnehmungsübungen:

Spüre dein „Muskelgefühl“ in den Armen und der Schulter und im Becken während des Reitens mit Anlehnung. Wenn deine unteren Muskeln das Becken bewegen, um das Pferd zu versammeln, darf die Muskelarbeit des Armes davon nicht beeinflusst werden!